Achtsamkeit mit Kindern – Mindful Parenting

05.11.2024

Achtsamkeit gibt uns keine Ratschläge darüber, was wir tun sollten, sondern sie lehrt uns, auf unser Inneres zu hören. Genau auf das zu achten, was wir selbst für wichtig halten, und unsere Vorstellungen darüber zu erweitern, was in einer bestimmten Situation und unter den verschiedensten Umständen angemessen sein könnte. 

Als Eltern und als Menschen - ganz gleich, welchen Problemen wir uns in unserem persönlichen Leben gegenübersehen - sind wir alle zu erstaunlichem Wachstum und zu tiefgehenden Transformationen fähig. Es geht darum zu lernen, unsere inneren Ressourcen zu erkennen, sie zu nutzen und einen Weg zu finden, der unseren persönlichen Werten und dem, was unser Herz uns sagt, entspricht. Unsere eigenen Bedürfnisse und die Bedürfnisse unserer Kinder auf passende und befriedigende Weise zu erfüllen, erfordert Energie, Aufmerksamkeit und unablässige Übung.  

Wer mit seinen Kindern achtsam umgeht, nimmt sie vorurteilsfrei wahr. Er schaut sie an und hört ihnen zu, ohne ihr Verhalten zu bewerten. So lässt sich Nähe herstellen und gegenseitiger Respekt vermitteln. Kinder fühlen sich angenommen, so wie sie sind, verstanden und geborgen.  

Offen zu sein, anzunehmen und mitfühlend zu sein heisst nicht, dass wir naiv oder passiv sind. Es gibt für uns Eltern tagtäglich eine Vielzahl von Situationen, in denen wir eingreifen und entschlossen handeln müssen. Um mit einer akuten Krise fertig zu werden, ist es wichtig, einen Gefühlssturm zusammen mit unseren Kindern durchzustehen. Dabei sollten wir nicht unser Zentrum verlieren, nur weil unser Kind, das seine verloren hat. 

Es kann dabei hilfreich sein, sich vorzustellen, wir wären in diesem Unwetter eine grosse schützende Eiche. Ein verlässlicher Freund, der zwar vielleicht nicht versteht, was unser Kind empfindet, und der auch nicht unbedingt Antworten auf seine Probleme weiss, der aber einfach verständnisvoll bei ihm ist. Wenn die Situation sich wieder beruhigt hat, ist die Zeit gekommen, sich mit den Hintergründen des Geschehens zu beschäftigen.  

 

Manche Verhaltensweisen unserer Kinder sind für uns wahrscheinlich wesentlich schwerer zu ertragen als andere. Die Situationen, in denen sie unser Verständnis und unsere Liebe am meisten brauchen, sind stets auch die Situationen, in denen es uns am schwersten fällt, ihnen eben dies zu geben.  

Ganz gleich, wie alt unsere Kinder sind, immer werden einige der Dinge, die sie tun, in uns Gefühlsausbrüche und destruktive Verhaltensweisen auslösen. Vielleicht kennen wir diese Reaktionsmuster aus der Umgebung, in der wir selbst aufgewachsen sind. Vielleicht haben wir sie übernommen, ohne das auch nur zu ahnen. Jedes Mal, wenn uns die Gründe für unsere eigenen Gefühle und deren Ursprung ein wenig klarer werden, haben wir die Möglichkeit, uns gegen ein automatisches und oft destruktives Reagieren zu entscheiden und stattdessen neue und positivere Verhaltensmöglichkeiten zu entwickeln.

Achtsame Erziehung bedeutet, dass man nicht nur vorurteilsfrei auf das eigene Kind schaut, sondern auch den anderen Erwachsenen und seinen oder ihren Umgang mit dem Kind ohne Vorurteil betrachtet. Öffnen Sie sich dafür, zu sehen, was Ihr Kind vom anderen Elternteil braucht und empfängt.

Achten Sie darauf, gemeinsam alltägliche Dinge bewusst zu erleben. Mit dem Bewusstsein, dass das Leben hier und jetzt stattfindet, lassen sich viele Aufgaben lustvoll und mit Spass zusammen mit Kindern gestalten. Spüren Sie dem gegenwärtigen Erleben nach.

 

„Wenn wir keinen inneren Frieden haben, wenn wir uns nicht wohl in unserer Haut fühlen, können wir unsere Kinder nicht wirklich gut erziehen“, sagte einst Thich Nhat Hanh. „Wenn wir gut für unsere Kinder sorgen wollen, müssen wir gut für uns selbst sorgen.“

 

Wir können jeden Tag aufs Neue damit beginnen, achtsame Eltern zu sein!

Lit.: Kabat-Zinn Myla & Jon, „Mit Kindern wachsen“, Arbor Verlag und Susan Bögels, „Elternsein die ganze Katastrophe“, Arbor Verlag

 

Autorin: Michèle Bossi, Mitarbeiterin Einzel-, Paar- und Familienberatung